100 Jahre Gucci – so viele Jahre bestehen nur die besten Modelabels. Aber was macht eigentlich den Erfolg der italienischen Luxusbrand aus? Wer ist der kreative Kopf, der sich die ikonischen Kleider, It-Bags und Brillen ausdenkt? Und was sind die Key-Pieces der brandneuen Gucci Aria Kollektion? Eine Geschichte über Begehren, Retro-Vibes und pulsierende Herzen.
Der Boss der Gucci Gang
Es ist für einen Modedesigner ziemlich komfortabel, wenn er sich nicht lange über die Auswahl der Musik für eine Modenschau Gedanken machen muss, sondern einfach zu einem Song greifen kann, der die Begehrlichkeit der Entwürfe gleich in Dauerschleife aufs Tableau bringt. Guccis Chefdesigner Alessandro Michele griff also beherzt zum Erfolgstitel „Gucci Gang“ des US-Rappers Lil Pump, um in die bildgewaltige Präsentation der Gucci Aria Collection zu starten.
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Tatsächlich hatte Michele aber doch die Qual der Wahl, denn Gucci kommt in unzähligen Raptracks vor und ist die meistgenannte Marke im sowieso ziemlich markenfixierten HipHop-Genre. Was zum einen mit dem omnipräsenten Bling-Bling der italienischen Glamourmarke zu tun hat, aber natürlich auch mit deren gehobenen Preisen, die sich nur erfolgreiche Rapper Leute leisten können. Michele entschied sich also für Lil Pump – und auch sonst wählte er die Zutaten für die Show zum „100 Jahre Gucci“-Jubiläum mit Bedacht. Der Meister der Re-Kontextualisierung zitierte, dass die Schwarte kracht, widmete um, arrangierte neu und schuf so eine Gucci-Welt, die ihrer Historie mehr als würdig war. Ja, die bei aller Rückbesinnung vor allem zeigte, wohin die Reise künftig gehen soll. Steil nach oben, versteht sich.
Die glamouröse Vision von Guccio Gucci
Die Welt von Guccio Gucci war zunächst nur wenig glamourös. Der Italiener schleppte bei seiner Arbeit als Liftboy im Londoner Nobelhotel „Savoy“ die Koffer der High Society von den Nobelkarossen zu den Suiten. Dabei lernte er eine Menge über den (Koffer)Geschmack der Upper Class und entschloss sich, in seiner Heimatstadt Florenz ein Geschäft für Lederwaren zu eröffnen. Ab 1921 verkaufte er dort importierte Koffer und Taschen – und ließ in der Werkstatt nebenan eigene, luxuriöse Lederwaren herstellen. Die Gucci-Handtaschen, schon bald mit dem legendären Gucci-Muster bedruckt, wurden schnell zu Must-haves unter den Reichen und Schönen. Nach Guccio Guccis Tod 1953 übernahm sein Sohn Aldo die Leitung des Hauses Gucci, das mit Stores in New York, Paris und Los Angeles bald weltumspannend bekannt wurde. In den 1950ern und 60ern schließlich machten Hollywood-Stars wie Grace Kelly oder Liz Taylor die Marke zur absoluten Nummer Eins auf der Shopping-Wunschliste.
Der tiefe Absturz
Doch wie so oft im Leben folgt auf einen zu hohen Flug ein tiefer Fall – in den 1980ern zerstritten sich die Gucci-Erben in Italien über die Art und Weise, wie das Unternehmen geführt werden solle, Aktienpakete wurden verscherbelt, Aldo Gucci musste wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis. Der Skandal gipfelte schließlich in der Ermordung von Guccios Enkel Maurizio Gucci durch einen Auftragskiller – den Maurizios Ex-Frau Patrizia Reggiani engagiert hatte. Dieses düstere Kapitel der Gucci-Geschichte wird aktuell von Ridley Scott verfilmt, mit Lady Gaga und Adam Driver in den Hauptrollen. Der Film „House of Gucci“ soll Ende November in die (amerikanischen) Kinos kommen.
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Tom Ford for Gucci – eine goldene Ära
Wie macht man aus einem darniederliegenden Modelabel wieder etwas ganz Großes? Das fragten sich einige Designer nach der Gucci-Krise. Doch nur einer hatte die Antwort: Tom Ford. Der damals noch völlig unbekannte Modemacher übernahm 1994 den Posten des Chefdesigners bei der angeschlagenen Brand (und später auch den bei Yves Saint Laurent) und brachte sie mit sinnlich-eleganter Mode für Damen und sleekem Dandy-Stil für den Mann zurück an die Spitze. Auch die ersten Gucci-Brillen und Gucci-Sonnenbrillen gehen auf das Konto von Tom Ford. Die Stücke aus seinen Kollektionen werden heute zu Höchstpreisen in Resale-Portalen gehandelt.
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Seit 2015 steht Alessandro Michele an der Spitze des Gucci-Kreativteams (zu dem er schon seit 2002 gehörte) und hat der Brand erneut einen stilsicheren Tritt in den träge gewordenen Hintern verpasst. Mit androgynen Looks, Siebziger-Anleihen und gewagten Farbkombinationen schaffte er es, die Ära Tom Ford auf seine ganz spezielle Weise zu beerben, zwar nicht stilistisch, aber was den durchschlagenden Erfolg anbelangt.
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Gucci Aria – eine Hommage an die Vielfalt
Eine Kollektion zum runden Geburtstag kommt nie ohne den Blick zurück aus. Und so wagte auch Alessandro Michele für 100 Jahre Gucci den Schulterblick, und das gleich mehrfach. Der rote Samtanzug, in dem ein männliches Model die Show eröffnet: Ein Zitat aus der berühmten 1996er-Kollektion von Tom Ford. Die Reithelme, Gerten, Choker und natürlich die stets wiederkehrende „Horsebit“-Schnalle: Eine Hommage an den Firmengründer Guccio Gucci, der auch Reitsportartikel herstellen ließ. Auch wenn Michele dieses Reitsport-Thema konsequent in eine Fetisch-Ästhetik überträgt, die Guccio damals vielleicht nicht ganz so vorschwebte. Federn, Spitze, knöchellange, schmale Röcke: Reminiszenzen an die großen Hollywood-Zeiten von Marilyn Monroe. Und dann natürlich Balenciaga. Was auf den ersten Blick wie eine Kooperation wirkt, wie die Zusammenarbeit einer italienischen mit einer französischen Superbrand, ist tatsächlich nur eine (publicityträchtige) Verbeugung von Alessandro Michele vor den Key-Pieces des georgischen Masterminds und Balenciaga-Chefdesigners Demna Gvasalia.
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Die wichtigsten Stücke der Kollektion
Ein prägendes Element der „100 Jahre Gucci“-Jubiläumskollektion, das in den Social Media Kanälen bereits durch die Decke geht, ist eine mit funkelnden Steinen besetzte Clutch in Form eines menschlichen Herzens. Ebenso übergroße Retro-Brillen – wie die Gucci GG0817S oder die Gucci GG 0799O, zu allover Gucci-Musterprints in Brauntönen. Samtanzüge, Schnallen, Reiterstiefel und Lackmäntel kombiniert Michele mit schmalen, sportlichen Shades wie die Gucci GG0870S und Nasenpiercings. Klingt vielleicht nach einem großen stilistischen Kuddelmuddel, ist aber eher ein erstaunlich gut funktionierendes Plädoyer für Micheles Lebensmotto: Geht nicht, gibt’s nicht.
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